Sonntag, 6. Juni 2010

„Save our Souls“ Rettungsringe im Kirchenschiff

Seit 15 Jahren etabliere ich die Häkelkunst als eigenes Genre innerhalb der Bildhauerei.
Sie gehört zur Gruppe der Skulptur, nämlich den weichen Objekten (Soft Sculptures).
Im Moment häkle ich verschiedene große Rettungsringe, die wie immaterielle Seelchen in sakrale Räume als Wolken einschweben.
Die Arbeit heißt S.O.S. (Save our Souls) und soll in Kirchen verschiedener Konfessionen wandern.

Im Vorfeld der 1. S.O.S.-Ausstellung in der Johanneskirche in Saarbrücken wurde folgendes Interview für ein Saarbrücker Stadtmagazin mit mir geführt.

Warum zum Teufel Seelen?
Katharina Krenkel über ihre Installation „SOS – Save Our Souls“ – Rettungsringe im Kirchenschiff in der Johanneskirche Saarbrücken, über wildes Häkeln, das schwere Geschütz der Seele und die Rettung durch den guten Willen.

Wie kam es, dass Sie beim Häkeln hängen geblieben sind?
Jeder muss, wenn er anfängt, als Künstler zu arbeiten seine Mittel finden. Pinsel und Farbe waren es bei mir nicht.

Naheliegend, aber nicht selbstverständlich für eine Generation, die sich vom betulichen Handarbeiten und der damit verbundenen Frauenrolle, der braven Hausfrau distanzierte.
Ich benutze die Betulichkeit für meine Zwecke und sehe sie nicht als Last. Im Vergleich dazu wiegt die Last der vielen Jahrhunderte Malereigeschichte für einen Maler doch noch schwerer. Außerdem betreibe ich wildes Häkeln, das für sich steht.

Der Unterschied besteht doch darin, dass Ihre Generation sich entscheiden kann. Die Generation der Mütter konnte es gerade so, aber die der Großmütter noch lange nicht.
Meine Freiheit besteht darin, die Tradition meiner Großmütter zu sehen und zu nutzen.

Die hausfrauliche Tätigkeit wurde Teil eines künstlerischen Konzeptes. Es sieht so aus, als wäre es ein Modell für die Verbindung von Familie und Beruf
Es ist in erster Linie der Versuch, authentisch zu sein.

Die Hausarbeit und die Rolle der Hausfrau und Mutter wird oft genug und berechtigt als Hindernis für die Selbstverwirklichung gesehen. Wird sie erst erträglich oder geradezu ein Mittel zur Selbstverwirklichung, wenn sie in ein künstlerisches Konzept eingebunden ist?
Mein Alltag ist kein notwendiges Übel, in dessen Niederungen ich mich zwischen meiner künstlerischen Tätigkeit herablassen muss, sondern ich bin nur deswegen Hausfrau und Mutter, um für meine Kunst besser recherchieren zu können.

Wolle statt Stein, das bleibt nicht ohne Wirkung auf das Arbeitsumfeld. Wolle ist leicht und kann überall hin mitgenommen werden, wird das Atelier als Adresse des Künstlers überschätzt?
Es ist schön, wenn man einen Arbeitsraum hat. Wenn man keinen hat, sollte man trotzdem arbeiten können. Aber manchmal muss man aus der Not eine Tugend machen und das Häkelzeug mit ins Freibad nehmen.

Es wirkt auch wie ein Seitenhieb auf die von der Welt entrückte Künstlerpose. Also, mehr Kunst ins Leben?
Wer ernsthaft von seinem Künstlerberuf leben will, kann sich das posieren sparen und muss auch pragmatisch sein. Die Künstler nerven, die das Künstlerklischee kultivieren. Ich konserviere die Kunst im Normalen, ohne alltäglich zu sein.

Dazu nutzen Sie ein Handwerk, das vielfach als Hobby- und Freizeittätigkeit gilt.
Ich komme aus einer schwäbisch-pietistischen Familie, in der Fleiß als Daseinsberechtigung gilt. Deswegen habe ich vielleicht angefangen eine so überaus zeitaufwendige Technik, künstlerisch zu nutzen. Inzwischen habe ich mich an die Qualitäten meiner Langsamkeit und Ruhe gewöhnt, so dass ich nicht mehr aufhören kann.

Wolle und Häkeln, das steht für Wohlanständigkeit und Sittsamkeit. Dennoch haben Ihre Skulpturen eine sexuelle Komponente. Etwa bei den Nacktanzügen oder der Busendecke. Wie viel Provokation steckt da drin?
Unter jedem sittsamen Bettüberwurf liegt etwas. Ich bediene mich klassischer Häkelsujets und zeige gleichzeitig, was darunter liegen könnte.

Ist Provokation notwendig? Oder kommt sie durch den Aufprall von Material und seiner Anwendung?
Provokation ist nicht planbar. Es gibt Arbeiten, die berühren. Manchmal auch negativ. Das ist unvermeidbar und notwendig, wenn man über die Ästhetik hinaus ein Anliegen hat. Garn und Wolle berühren vielleicht stärker, weil sie sinnlich erfahrbar sind und man sie dicht an sich heran lässt.

So leicht Wolle und Garn sind, so schwer wiegt das, was sich mit ihnen verbindet. Jetzt fahren Sie ein richtig schweres Geschütz auf und widmen sich dem Immateriellen schlechthin, der Seele.
In meiner Arbeit steckt etwas Anderes, Schweres, aber Unsichtbares, was der Seele gleichzusetzen ist: Viel Zeit.

Die Weltkarte haben sie bereits gehäkelt, jetzt wenden Sie sich dem Geistigen und Überirdischen zu. Wie kam es dazu?
Ich werde älter. Die Phasen der Identitätsfindung und der Reproduktion liegen hinter mir. Es treten neue Fragen auf.

Die Seele ist bei Ihnen ein gehäkelter Rettungsring in der Optik eines Zierdeckchens. Frei übersetzt: Die Seele als Zierde eines jeden Menschen?
Die Seele erscheint als nicht fassbares, zartes, filigranes, durchbrochenes Objekt. Die Zierdeckchen liegen zum Schutz und Schmuck auf Sessel und Tisch. Hier umhüllen sie das Unsichtbare.

Wie schwer ist es eigentlich, Seelen zu schaffen? Braucht es dafür eine bestimmte Technik?
Sehr schwer, denn keine Seele gleicht der anderen, und es gibt verschiedene Größen. Von alleine wären sie schlapp und kraftlos. Da muss ich viel „Stärke“ nach einem geheimen Mischungsverhältnis reinstecken.

Die Seele als Rettungsring. Das klingt optimistisch und schwebt jenseits jeglicher Provokation
Finde ich auch.

Verbindet sich damit ein Anliegen?
Jeder sucht konkrete Bilder in Bereichen, in denen es keine Antworten gibt, und man nur glauben kann. Ich versuche, mich über Spitzenhäkelei anzunähern.

Sie nennen Ihre Ausstellung „Save our Souls“, abgekürzt SOS. An wen richtet sich dieses Signal? Woher kommt die Rettung?
Es ist doch sehr tröstlich zu wissen, dass die Rettungsringe bereit hängen. Auch wenn sie etwas löcherig sind. Der gute Wille zählt.

Und steckt darin nicht ein klitzekleines Stückchen Allmachtsgefühl des Künstlers?
Ich häkele die Welt und alles Unsichtbare auch.

Wohin fliegen Ihre Seelen nach der Ausstellung in Saarbrücken?
Sie fliegen frei nach Lessings „Ring-Parabel“ in andere sakrale Räume verschiedenen Religionen.


Die Fragen stellte Ina Nicklas.

Ausstellung Katharina Krenkel „SOS –Save Our Souls“ – Rettungsringe im Kirchenschiff. Vernissage am Ostermontag, den 5. April um 17 Uhr in der Johanneskirche Saarbrücken. Ausstellung bis zum 18. April. Öffnungszeiten von Dienstag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr.

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