Ein Interview mit mir für die Monatszeitung
„Dogma & Humor“ im September 2014
anläßlich der Ausstellung "Häkellabor"
im Museum Tuch + Technik http://www.tuch-und-technik.de
in Neumünster
anläßlich der Ausstellung "Häkellabor"
im Museum Tuch + Technik http://www.tuch-und-technik.de
in Neumünster
Häkelforschung?
Labor und
Häkeln – das passt doch gar nicht zusammen?
Die Kunst lebt von Kontrasten. Und ein Künstler ist ohnehin ein von Neugier Getriebener, der auf der Suche nach Antworten und großen Zusammenhängen ist. Da fühlt er sich bei den Wissenschaftlern im Labor sehr wohl.
Außerdem habe ich
tatsächlich viele Arbeiten, die in kleinen Versuchsreihen aufgebaut sind. Was
passiert zum Beispiel, wenn ich einen Kiefernzapfen in verschiedenen
Häkelmustern und aus verschiedenen Materialien häkle? Was passiert, wenn ich
ein immer gleich gehäkeltes Gummiquadrat verschieden dehne? Und was ergeben
sich für Wettersituationen, wenn ich gehäkelte Wolken als Druckstock nutze und
immer anders neben- und übereinander drucke?
Das Resultat sind
Serien und Gegenüberstellungen, die wie Individuen in der Gruppe kommunizieren.
Was erforschen Sie da eigentlich?
Ach, das ist ganz
einfach. Ich suche die Faustsche Urformel. Ich will die Welt verstehen.
Vielleicht schaffe ich
es nebenbei ja auch noch Gold herzustellen.
Und an welchen Materialien forschen Sie im Moment?
Meine
Forschungsprojekte zur Zeit sind vor allem Witterungsbeständigkeit,
Elastizität, Wiederverwertbarkeit und Alltag.
Das heißt, mein
Arbeitsmaterial besteht aus verschiedenen Absperrbändern, Plastiktüten,
Müllsäcken, Draht, Gummiprofil und natürlich Wollresten in verschiedensten
Qualitäten.
Woher stammen alle Ihre Materialien?
Besonders gerne
benutze ich Materialien, die sonst keiner haben will.
So sind z.B. sehr
viele Spulen von feinem Kupferdraht, den man zum Wickeln elektrischer
Widerstände benutzt, beim Entrümpeln im Keller von Freunden aufgetaucht. Der Großvater
war Elektroingenieur und Sammler.
Die Quelle des Polizeiabsperrbandes
kann ich nicht nennen (gute Polizeikontakte!). Ich hab versprochen nur damit zu
häkeln und nicht abzusperren.
Das Gummiprofil entsteht
als Produktionsabfall bei der Herstellung von Autotürdichtungen (danke
Saargummi!).
Und die ganzen Wollreste
- die stammen hauptsächlich aus Nachlässen und erzählen allein dadurch schon Geschichten.
Der Grundgedanke ist:
Alles, was lang und fadenartig ist, und sich nicht zu sehr wehrt, kann von mir verhäkelt
werden.
Was machen Sie, wenn einmal ein Experiment fehlschlägt?
Aufziehen und von
vorne beginnen. Ich hebe alle physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Raum und
Zeit auf.
Manche Lösungen sind
das Ergebnis endloser Versuche. Manchmal aber küsst mich die Muse und es klappt
auf Anhieb.
Besteht in Ihrem Häkellabor Explosionsgefahr?
Es ist natürlich oft
sehr kritisch, ob das, was ich im Kopf habe, auch am Ende dem Ergebnis
entspricht.
Deshalb droht mir
manchmal der Kopf zu platzen, aber bisher sind weder Menschen noch Tiere zu
Schaden gekommen.
Arbeiten Sie unter strengen Laborbedingungen? Und inwiefern
sind Ihre Forschungsergebnisse in der realen Welt gültig?
Also, mein Labor ist
nur in den ganz heißen Arbeitsphasen hermetisch von der Außenwelt
abgeschlossen. Sonst öffne ich es gerne dem Leben und der Außenwelt. Das heißt,
ich freue mich immer über Besuche und Bewegung, die neuen Schwung bringen. Gerade
damit die Welt außerhalb meines Elfenbeinturmes auch Einfluss nehmen kann.
Auch meine Katzen
helfen mir, und die halten sich nicht an die Laborhygiene.
Das heißt, die
idealisierte Vorstellung des Künstlers, der Tag und Nacht seinen kreativen
Impulsen in Ruhe und Abgeschiedenheit nachgehen kann, existiert nur in der
Fantasie. Ich stehe mitten im Leben. Und das ist auch gut so.
Kann ein wissenschaftlicher Laie Ihren Versuchen folgen?
Wenn er neugierig ist
und sich auf die Versuchsaufbauten einlässt. Ich will nur den Dingen auf den
Grund gehen. Was Künstler und Wissenschaftler gemeinsam haben, ist der Blick
auf einen kleinen Ausschnitt der Welt, den sie exemplarisch hervorheben und
betrachten.
Meine Versuchsreihe
unterliegt einer inneren Ordnung. Jedes Exponat ist
einem Element (Erde, Feuer, Wasser, Luft) zugeordnet. Ich beginne mit der
Schrift zur Aufzeichnung aller Erkenntnisse. Dann kommen Ordnung, Struktur und Wahrnehmung.
Der Natur und ihrer Schönheit widme ich danach einige Arbeiten, bis leider durch
die verbotene Frucht der Verfallsprozess einsetzt. Danach herrscht Unordnung
und Zerstörung.
Aber dann beginnt erst
die wirkliche Reise.
Sie machen jetzt seit 25 Jahren weiche Skulpturen. Wo sehen
Sie den Unterschied zwischen Handarbeit und Kunst?
Handarbeit erfüllt
einen Zweck. Entweder einen konkreten Nutzen oder zumindest einen dekorativen
Wert. Die Kunst ist frei! Sie muss überhaupt keinen Zweck erfüllen - sie kann
sogar hässlich und abstoßend sein. Sie hat einen ideellen Mehrwert und öffnet
den Blick und den Geist.
Die Häkelkunst im ganz
Speziellen hat noch zusätzlich die Tradition, Geschichte und Assoziationen der
Handarbeit im Gepäck. Ich bin mir bewusst, dass Topflappen eine andere
Geschichte in sich tragen, als z.B. ein Renaissancegemälde. Darüber hinaus ist die
Häkelkunst eine weiche Variation der Bildhauerei. Sie ist haptisch erfühlbar.
Nicht ohne Grund braucht es im Häkellabor speziell geschultes
Aufsichtspersonal, wegen der hohen Fummelgefahr.
Was sehen Sie als den roten Faden in Ihrem Gesamtwerk?
Tatsächlich ist es mir
in diesem Jahr zum ersten Mal passiert, dass ich auf mein Werk zurückschaue.
Bisher war ich wohl eher damit beschäftigt voranzuhäkeln.
Im Rückblick wird
deutlich, dass bestimmte Formensprachen und Themen immer wieder auftauchen.
Der Alltag ist und
bleibt ein großes Rätsel für mich. Einerseits ihn durchzustehen, aber
andererseits auch seine Geheimnisse und seinen Zauber zu sehen, zu verstehen
und mich darüber zu erheben. Das kann die einfache Faszination von
Alltagsgegenständen in ungewohntem Kontext oder Material sein.
Zunehmend kommt die
Bewunderung für die Schöpfung im Allgemeinen, und die Natur im Besonderen dazu.
Hat wahrscheinlich was mit dem Älterwerden zu tun.
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