Ornament - Natur von der Rolle
Innere Bilder vom Häkeln sind meistens voll von Spitzendeckchen und Bordüren.
Anstatt als häkelnde Bildhauerin nun gegen diese Assoziationen anzukämpfen, habe ich sie mir näher angeschaut.
Spitzen in Form von Kragen und Kleidungsbesätzen waren im Biedermeier
Mode und wurden meistens geklöppelt. Das Bürgertum wollte dem Adel
nacheifern und hat mit bescheideneren Mitteln, nämlich der kopierenden
Häkelnadel, das teure Vorbild nachempfunden. Die Technik bietet sich an,
florale Formen in mathematischer Ordnung aneinander und übereinander zu
setzen.
Die Häklerinnen haben so außerdem ihren Fleiß und ihre Tugend in
blütenweiß demonstrieren können - einer zusätzlichen Eigenschaft aller
filigran, durchbrochenen, zarten Textilgespinste.
Neben dieser Spitzenwelt beginnt die Industrialisierung und entfremdet
die Menschen von der Natur. Ihr stilisiertes Ideal blüht stattdessen in
den Innenräumen der Häuser in Form von üppigen Dekoren.
Vielleicht war das der Beginn der Vorstellung, dass Natur irgendwo da
Draußen stattfindet und ungebremst wie im Musterrapport zur Verfügung
steht. Und die eigentliche Natur wurde derweil geordnet, gerastert und
parzelliert. Die wirkliche, wilde und üppige Natur kennen wir gar nicht.
Sie ist ein Sehnsuchtsort der nur in der Kunst reanimiert werden kann.
Dienstag, 10. Mai 2022
Bordüre heisst auf englisch "Border" (Grenze)!
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen